GRÜN ist…..?….Oliv!
Nun steht er also, der Koalitionsvertrag. Und – wer hätte es angesichts der Konstellation nicht erwartet – es stehen wichtige Vorhaben drinnen, einige in schwammige Formulierungen eingekleidet, andere – etwa in Sachen „Verkehrspolitik“ – sind eine reine Zumutung. Und, natürlich, angesichts des Wahlergebnisses scheint diese Konstellation die einzig mögliche zu sein, wolle man keine neue „GroKo“. Mit der Kanzlerkandidatinnen-Kür als „Tiger“ gesprungen und als „Bio-Bettvorleger“ Christian Lindners gelandet?
In Teilen der grünen Bubble scheint der gesamte Prozess als etwas „Naturwüchsiges“ abgelaufen zu sein: Ist halt irgendwie „schiefgegangen“, die anderen Parteien und die Medien „unfair“ mit Annalena Baerbock umgegangen usw. Echt?
Ich habe in gut 36 Jahren nur einmal eine inhaltlich qualifizierte Wahlkampfanalyse nach einer Wahl erlebt – als Rot-Grün die Mehrheit in Hessen an Roland-Kochs mafiöse CDU verspielt hatte. Seitdem hat sich keine der mir bekannten Strukturen, weder im Land, noch im Kreisverband Frankfurt, noch im Bund, ernsthaft mit den – ja auch: handwerklichen Fehlern der Kampagnen beschäftigen wollen.
Diesmal, so scheint mir, spielt aber noch ein anders Element eine Rolle – die jetzt auch das „Personaltableau“ für die neue Regierung beeinflusst hat. Aber von vorne:
2013 ist nach der krachenden Niederlage die Mär geboren worden, die „Linken“ mit ihren Steuerplänen hätten dies verursacht. Kein Wort über eine auch inhaltlich bescheuerte Kampagne, die darin gipfelte, dass das „Bild“-Zeitung „Sommerlochthema“ vom „Veggie-Day“ Furore machen konnte – ohne dass es eine spürbare Gegenreaktionen gegeben hätte. „If they go high…“ – ich kann es nicht mehr hören. Eine kampagnenfähige Organisation hätte auch professionell mit dem wirklich harten Vorwurf der „Pädophilie“ umgehen können. So aber taumelten die GRÜNEN lange rum, duckten sich zum Schaden auch der Wahlkampagne erstmal weg und versuchten nie, dem Thema offensiv zu begegnen. Selbstkritik? Fehlanzeige!
Diesmal schien es besser zu werden: Endlich die Agentur gewechselt, einen guten Wahlkampfauftakt…Aber nach zwei Tagen die Kandidatin – und mit ihr scheinst das gesamte Wahlkampfteam – im Rückwärtsgang. Warum?
Ich mag nicht an einen Zufall glauben, dass professionelles Campaining ohne Blick auf die Biografie der Kandidatin, ihren Internetauftritt etc. gehen soll. Das man sie in ein überflüssiges und bescheuertes Buchprojekt hineintreibt – und beim ersten Gegenwind, der weder sonderlich heftig war noch, was die Wahlkampfstrategien aller Parteien angeht, sonderlich „schmutzig“, in ein „MiMiMi“-Lamentieren überzugehen, anstatt gegenzuhalten… „If they go high…“. Nee Leute – ich vermute, dass in der Partei viele Menschen mit Macht Roberts Durchmarsch fest eingeplant hatten. Annalenas Kandidatur, so konform zum Frauenstatut sie auch war, ist als „Putsch“ verstanden worden, also hat man sie vor die „Wand laufen lassen“. Was, wie eingangs gesagt, nun auch das Personaltableau betrifft: Annalena Baerbock musste „versorgt“ werden, da sie als Vorsitzende zu beschädigt war. Mit ein Grund, weshalb das Gerangel entstanden ist, dass Toni Hofreiter ins Abseits spülte.
Nach circa 36 Jahren des Leidens an und mit der GRÜNEN Partei habe ich mehrfach politische Manöver erlebt , die selbst die Grausamkeit von SPD-Ortsvereinen in den Schatten gestellt haben. Das „Frauenstatut“ als „Nice to have“ haben schon Joschka, der Kreisverband in Frankfurt, die GRÜNEN im Saarland eindrucksvoll demontiert. Dass die Schlüsselqualifikation für Cem auf dem neuen Posten die ist, dass er als „Quoten-Migrant“ eingesetzt wird, beleidigt nicht nur ihn – sie macht auch deutlich, dass für „migrantisch gelesene“ Menschen auch bei den GRÜNEN ein rassistischer Deckel besteht, wenn es um Schlüsselposten geht.
So driftet die Partei seit Jahren immer weiter ins „Olivgrüne“ – die Farbgebung der Plakate im vergangenen Bundestagswahlkampf war nicht nur Zumutung, sondern auch Signal, es mit dem „GRÜN“ nicht allzu ernsthaft zu versuchen.
Christian Ströbele hat in einer Wahlkampfnachlese 2013 schon darauf hingewiesen, dass die Partei eine andere wäre, hätten ihr nicht nach 1990 viele wichtige Menschen den Rücken gekehrt. Natürlich ist im Zuge der kommenden Koalition ein weitere „Aderlass“ zu befürchten: Die Erfahrungen aus Hessen und BaWü lassen vermuten, dass die Konzessionen an die FDP im Koalitionsvertrages nicht nur Ausdruck einer Schwäche sind, sondern die GRÜNEN verlernt haben, für Kerninhalte entschieden zu streiten – „rote Linien“ zu definieren. Zu oft hat man in der Vergangenheit keine Konsequenzen aus Verstößen der jeweiligen Koalitionspartner gezogen, als dass man dies nun glaubhaft versuchen könnte. Zumal die kommende Koalition natürlich auch Jobs generiert – und damit finanzielle Abhängigkeiten bei denen schafft, die im Apparat tätig sind.
Ist jetzt also endgültig der richtige Zeitpunkt, die GRÜNEN zu verlassen? Schon zu spät? Welche – auch innerparteilichen – Möglichkeiten bleiben?
Zunächst einmal sehe ich keinen politischen „Platz“ für eine neue politische „Linksgruppierung“ in Deutschland – vollkommen unabhängig davon, dass man politisch natürlich die „Linke“ vielleicht beerben könnte – dieser Prozess über viele Jahre aber eher ein Selbstbeschäftigungsprogramm linker Menschen in Deutschland sein würde – ohne spezifisch politische Relevanz.
Und ehrlicherweise muss man vielleicht auch eingestehen, dass die Beschreibung der GRÜNEN als „linkes Projekt“ ein schwieriges Labeling darstellt: Vom Gründungsparteitag her gesehen war das was heute als „Bündnis 90/ Die GRÜNEN“ gelabelt ist ein Sammelsurium sehr unterschiedlicher politischer und sozial-ökologischer Stränge, die sich unter dem „AKW-Nein danke“ Motto sammelten. In den späteren 80ern, spätestens nach der Bundestagswahl 1990 setzte sich eine Idee von „Realpolitik“ durch, die bestimmte Elemente des bundesrepublikanischen Polit- und Gesellschaftsdiskurses, etwa die „Marktwirtschaft“ – als gesetzt und nicht diskutierbar übernahmen und vertraten: „NATO“, „Hartz IV“, „Out-of-Area“-Einsätze der NATO und vieles andere mehr wurden scheinbar widerspruchsfrei in grüne Programmatik eingearbeitet – was etwa zur Folge hat, dass die GRÜNEN die Privatisierung des Gesundheitswesen widerspruchslos hinnahmen oder vorantrieben – auch im derzeitigen Koalitionsvertrag sehe ich keine Position zur „Gemeinwohlorientierung“ des Gesundheitswesens – die Personalressourcen in der Pflege sollen einfach in die DRGs eingearbeitet werden. Der Unsinn dieser Ansätze kann hier nicht diskutiert werden.
Den Widerspruch in die GRÜNEN stärker hineintragen? Das wird natürlich umso schwerer, wenn jetzt weitere Menschen resigniert die Partei verlassen.
Ich persönlich stehe nach der „Kommunalwahl-Farce“ in Frankfurt vor dem Absprung: Die Mutlosigkeit der Frankfurter GRÜNEN hatte sich in den Koalitionen mit der CDU – auch der „Römer-Koalition“ in der Legislatur davor, gezeigt. Sich statt der möglichen Zusammenarbeit mit der „Linken“ an die FDP zu binden, ist und war Ausdruck der konservativ-neoliberalen Haltung des Kreisverbandes, die mutlos und wütend macht. Gestern noch der Meinung, nachdem ich meine Entscheidung über den Verbleib vom Koalitionspapier abhängig gemacht habe, ich würde dem Papier und Personaltableau „unter Bauchschmerzen“ zustimmen, bin ich heute entschlossen, ein „Nein“ in die Waagschale zu werfen: Auch wenn die „GRÜNE Jugend“ schon „auf Linie gebracht“ worden scheint, glaube ich, dass eine ausreichende Zahl an „Nein“-Stimmen – vielleicht 30 Prozent – zumindest als Signal und Warnung gesehen werden könnte. Wichtig wäre in meinen Augen ein Prozess , in dem wir uns „parteiintern ehrlich“ machen: In kleineren Mitgliedertreffen auf kommunaler Ebene den Weg reflektieren zu können, den die GRÜNEN zurück gelegt haben um in einem weiteren Schritt – jenseits der Parteiprogramme formulieren zu können, in welche Zukunft wir den „politisch investieren“ wollen. Oder ob es in den nächsten Jahren nur darum gehen wird, irgendwie an der Macht bleiben zu wollen.