Ossy Zehner, einer der Produzenten von „Planet of The Humans“ sagte in einer amerikanischen Morgensendung (The Hill: Rising; 28.04.2020) sinngemäß, es mache doch stutzig, wenn man konstatieren müsse, dass ein Virus in fünf Wochen stärkere Effekte auf das Ökosystem „Erde“ gehabt habe, als die Ökologiebewegungen in 60 Jahren. Ein deprimierender Befund, der aber nahelegt, dass die politischen Strategien für die Zeit „nach Corona“ andere werden müssen. Für die GRÜNEN heißt dies wohl auch, einen Kurs aufzugeben, „Ökologisch zu blinken“, um dann in Regierungsverantwortung „grün lackierte CDU-Politik“ zu machen, wie heute in Hessen und Baden-Württemberg beobachtbar.
„…Wartest du auf bess´re Zeiten, wartest du mit deinem Mut, bis die Wasser abgeflossen – die doch ewig fließen…“ (aus: Wolf Biermann, Die Drahtharfe, 1965)
In einer der unseligen „Corona“-Talkrunden wurde vor einigen Tagen ein Soziologiedozent gefragt, ob er glaube, dass sich die Gehälter der Bediensteten in den Pflegeberufen nach Feststellung der „Systemrelevanz“ und diverser „Ovationen“ nun signifikant verbessern werde. Besagter Mensch verneinte mit der Begründung, Realität sei ja, dass die unterirdische Bezahlung bisher auch nicht davon abgehalten habe, diese Berufe zu ergreifen. „Marktwirtschaft“ heiße nun aber eben, dass es angesichts des Angebotes an „willigen Helfern“ keine „Marktnotwendigkeit“ für höhere Löhne ergebe.
Gut gebrüllt, Löwe: Das einzig Neue an der heutigen Situation in vielen sozialen Berufen sind die neuerdings entwickelten Begrifflichkeiten wie: „Pflegenotstand“, „Fachkräftemangel“ und „Lehrermangel“, um einige zu nennen. Ähnlich wie im Themenfeld „Ökologie“ waren die Entwicklungen absehbar, liegen und lagen Studien und Vorschläge zur Abhilfe vor, doch Strukturen und Akteur:innen, die sich auf die „ordnende Macht der Märkte“ berufen und ihre – mehr oder minder willfährigen – Helfer:innen in den politischen Entscheidungsfeldern haben Veränderungen verhindert.
Wenn wir spätestens bei den Erziehungsberufen den gesellschaftlichen Bereich der „Bildung“ betreten haben, dann muss auch über „Teilhabegerechtigkeit“ in allen Facetten gesprochen werden: Ob es nun um das drei-gliedrige Schulsystem, Formen der sozialen Absicherung oder den Kunstbetrieb geht, hier überall gilt: Wohl wissend um Defizite sind diese Themen marginalisiert oder ausgeblendet worden, was spätestens jetzt unübersehbar geworden ist. Wenn wir also die humanistischen Ansprüche an diese Gesellschaft ernst nehmen wollen, dürfen diese Themen nicht wieder „randständig“ werden.
Von Betroffenen wurde bisher verlangt, dass sie sich in der Konkurrenz um Unterstützung wechselseitig „kannibalisieren“: In Zeiten, in denen klar wird, dass alleine das Aufrechterhalten des „Regelbetriebs Kapitalismus“ über Kurzarbeitergelder, Rettungsschirme und andere Interventionsformen, Finanzvolumina erfordert, die das bisher gewohnte überschreiten, ist dies bedrohlich: Nachdem in diesen Sektoren letztlich 50 Jahre Strategien der Auslese üblich waren, die bisherigen Kriterien für Mittelvergabe aber vor dem Hintergrund des drohenden „Kahlschlags“ obsolet sind, stehen auch hier nicht gekannte Verteilungskämpfe ins Haus.
So klappern die Üblichen jetzt schon mit den Klingelbeuteln: Aufbau- und Kaufprämien sind gängige Forderungen, aber auch die Aufgabe von Klimazielen und die Forderung nach Lockerungen im Arbeitsschutz. Interessant hier jetzt schon die Haltung des Arbeitsministers (SPD): Um die Anerkennung der GroKo für die systemrelevanten Berufe zu bekunden, wurden arbeitszeitrechtliche Bestimmungen schnell mal gelockert. Hubertus Heil ist bekennender „Seeheimer“, deren Begeisterung für gesellschaftliche Veränderungen in etwa jener der „Werteunion“ entspricht.
Nun hat Hubertus also die Errungenschaften des „Homeoffice“ als essenziellen Bestandteil der zukünftigen Arbeitswelt entdeckt. Hm, möchte man fragen – wer hätte davon welchen Nutzen?
Verbesserung der Lebensqualität durch Wegfall der täglichen Pendel- und Stauzeiten, die hierdurch möglichen ökologischen Entlastungen scheinen auf der Hand zu liegen. Auf den zweiten Blick entfällt auch die betriebliche Rahmen für die Einhaltung etwa der Arbeitszeitvorgaben und Schutzbestimmungen: Sie werden auf die jeweilige Arbeitnehmer: in verlagert. Gemeinhin heißt es ja, dass Menschen unter den „Heimarbeitsbedingungen“ eher mehr leisten – der Druck, im Wettbewerb mit anderen zu performen steigt offensichtlich gerade dann, wenn der direkte Vergleich entfällt. So scheint denn das Vorhaben von Herrn Heil näher an den „Deregulierungsfantasien“ des „Duracell-Häschens des Neo-kapitalismus“, Christian Lindners zu sein, als auf der Seite von Arbeitnehmer:innenrechten.
Was hier aufleuchtet ist das, was Lothar Bönisch vor Jahren als das Arbeitsweltideal des „Abstract Worker“ beschrieben hat: Hierbei handele es sich um Beschäftigte, so die Skizze, die im Wesentlichen unter Verzicht auf persönliche Bedürfnisse global einsetzbar sind: Im Idealfall also Menschen, die ihre Dienste anbieten können, wo immer sie ihr Note-Book aufschlagen. In internationalen Hotelketten gibt es wohl heute schon etwa Fitness-Angebote , die helfen sollen, den je zeitzonen-typischen Rhythmus beibehalten zu können: Work-Outs sind also möglich zu „New-Yorker“ oder „Tokioer“ Zeit. Heißt dies zukünftig für Bedienstete von koreanischen Firmen, das die Kernarbeitszeit im „Home-Office“ dann zu „Seouler-Zeit“ abverlangt wird? Mit Kinderbetreuungseinrichtungen im 24/7 Betrieb?
Können wir uns dagegen ein „Recht auf Bio-Rhythmus“ vorstellen?
Selbst wenn man, was auch seine Berechtigung hat, sagen kann, dass die GroKo – coronabezogen – relativ gute Arbeit gemacht hat, so zeigen die Schattenseiten, dass – vielleicht ähnlich wie beim Thema „Homeoffice“ – es im Halbdunkel noch andere Bewegungen gibt, die vor den Pandemie-Wellen etwas zu verschwinden scheinen – was möglicherweise politisch beabsichtigt ist: So ist etwa zu hören, dass das Familienministerium klammheimlich den Beratungskonsens mit den Erziehungsverbänden zum Referentenentwurf für ein neues SGB VIII aufgekündigt habe. Entgegen den Vereinbarungen scheint man gewillt, ein zweites Mal einen Gesetzentwurf zum „Kinder- und Jugendhilfegesetz“ einbringen zu wollen, der seiner systemverändernden Wirkungen wegen auf Druck der Erziehungsverbände vorletztes Jahr schon einmal zurückgezogen wurde.
Und wir sollten nicht vergessen, dass Jens Spahn – aus Sicht der Betroffenen – mit dem IPReG die Autonomie von Menschen, die auf Assistenzsysteme angewiesen sind, massiv beschneiden will, was mittelbar zu deren Heimeinweisung führen würde. Dass der von Spahn ins Spiel gebrachte „Immunitätsausweis“ ohne stigmatisierende Aufnäher für die „Un-Reinen“ auskommen sollte, macht das Vorhaben nicht besser. Im Gegenteil: In einem Land, wo vor drei Generationen durch das erzwungene Tragen gelber Sterne eine Bevölkerungsgruppe sichtbar ausgegrenzt und der Gewalt überantwortet wurde, sollten sich derartige Überlegungen von Vorneherein erledigen.
Dies könnte ein durchgehendes Phänomen sein: Wir erleben – auch medial intensiv verbreitet – oberflächlich Momente, in denen eine Idee des „Fürsorgestaates“ durchleuchtet. Jenseits des Scheinwerferkegels scheinen aber die Demontagen des Sozialstaates weiter zu gehen. So verlautet wohl aus dem „Think-Tank“ der „Bertelsmann-Stiftung“ zu Fragen der Gesundheitspolitik, die Kommunen seien am Ende der Corona-Zeit wahrscheinlich derart finanziell am Rande der Zahlungsunfähigkeit, dass kommunale Krankenhäuser schlicht nicht mehr zu unterhalten seien. Die Gewinnmöglichkeiten der börsennotierten „Gesundheitsdienstleister“ würden sich also weiter vervielfältigen.
Wir sehen also an vielen kleinen und großen Beispielen, dass das „Warten auf bess´re Zeiten“, die Hoffnung auf „Krise als Chance“, eine vergebene sein könnte. „…an des Flusses Ufern sitzend, wartend, bis die Wasser abgeflossen – die doch ewig fließen…“ heißt es schon bei Biermann.
Wenn wir die jetzt aufflackernden Diskussionen über „Abwrackprämien“ und andere Absurditäten betrachten, dass selbst bei GRÜNEN Ministerpräsidenten die Autolobby einen stärkeren Einfluss hat als – sagen wir mal: der Weltklimarat. Das ist traurig, aber Realität. So wissen wir ja auch, dass Abgeordnete nur ihrem Gewissen verpflichtet sind, es also rechtlich einen „Fraktionszwang“ nicht geben kann – die Realität belehrt uns, dass die „repräsentative Demokratie“ Widersprüche beinhaltet, die sich aus der Frage ergeben, wer denn politisch repräsentiert wird, oder welche Interessen vertreten werden.
Nun sind die Aufgaben und Anliegen, die vor uns liegen, zu mannigfaltig, die Akteur:innenkreise zu divers, als dass es – in meinen Augen – auf den ersten Blick „die eine Linie“ geben könnte. Und – das Eingangszitat sollte dies bereits problematisieren: Wenn das Virus bezüglich der Umweltaspekte, aber auch des Aussetzens von „Schuldenbremsen“ effektvoller ist, als Jahre des politischen Antichambrierens, scheint es an der Zeit, die Strategien zu ändern. Nur – was könnte hier helfen, wenn schon alles – inklusive einer Parteigründung vor 40 Jahren in die Sackgasse geführt hat?
Beschäftigen wir uns für einen Moment mit dem Denkrahmen, in dem wir uns zu bewegen gelernt haben. Dieser ist offensichtlich so stark, dass auch die GRÜNEN dem Wachstumsfetischismus dergestalt erlegen sind, dass angesichts der diversen Krisenmomente keine weitere Idee möglich scheint, als „Grünes Wachstum“ zu fordern. Dies ist die Bekämpfung des „Teufels mit dem Beezlebub“.
Re-Framing
Von morgens bis abends, von „FAZ“ bis „taz“ werden wir mit wirtschaftlichen Kenndaten versorgt und in der Gewissheit gehalten, alles müsse „sich rechnen“. Nun, die Daten etwa, mit denen eine „Kostenexplosion“ im Gesundheitssektor vor vielen Jahren belegt werden sollte, waren schlicht falsch. Dennoch wird von diesen invaliden Grundannahmen aus rechnend, Gesundheitspolitik gemacht. Dies hatte Folgen für den gesamten Gesundheitssektor und wir müssen uns etwa fragen, ob wir das, was derzeit unter „Pflegenotstand“ gelabelt wird, mit allen seinen Konsequenzen einfach fortschreiben wollen – zu unser aller Schaden.
Oder aber, wir können uns und anderen die Frage stellen, welchem Menschenbild etwa die Idee folgt, dass sich „Gemeinwohlaufgaben“ kaufmännisch rechnen müssten. Wie steht es etwa mit dem ÖPNV? Wenn es die „Verkehrswende“ geben soll, müssen auch kleinere Orte im Odenwald oder Vogelsberg ausreichend angebunden und versorgt werden. Das lässt sich über die Ticketverkäufe nicht gegenfinanzieren. Müssen sich Universitäten rechnen, die Polizei, Kinder- und Jugendtheater? Also der Kunstsektor von den Einzelkünstlern bis hin zu den großen Bühnen. Muss sich Kinderbetreuung rechnen – oder geht es um pädagogische Inhalte, ausreichend gute und kindgerechte Betreuung?
Nun, wir haben es schon umrissen: der Rahmen von der Erzählung über die „Alternativlosigkeit“ einer „wachstumsorientierten Marktwirtschaft“ ist ein gesetzter – auch einer der in ritualisierten und formatierten Mustern durchgehend „abgespult“ wird. Durch die unwidersprochene Wiederholung, die Unausweichlichkeit innerhalb des gesellschaftlichen Zusammenhangs, verdichten sich die Momente dieser Erzählung zu „Glaubensgrundsätzen“, die nur schwer hinterfragt werden können. Schwer wiegt auch – und die Religionskriege und der Umgang mit den Daten zur Klimakrise zeigen es auf: Zweifel oder Versuche, an der entstandenen „Dogmatik“ zu kratzen, lösen heftige Gegenreaktionen aus.
Dies ist aus der Funktion der „Rahmenerzählungen“ heraus erwart- und verstehbar: Die Narrative helfen, eine komplexe und widersprüchliche Welt voller gegensätzlicher Informationen zu strukturieren. Damit sind sie angstbindend. Jeder vermeintliche Angriff auf das „Gewissheitssystem“ löst also in erster Linie Ängste – bis hin zu pathologischen Abwehrmustern aus.
Für den Moment mag diese Skizze ausreichen, um deutlich zu machen, dass „vernunftgesteuerte“ Argumentationsversuche oder solche „moralischer“ Natur eben als „Angriffe“ auf zentrale Wesenskerne der Weltsicht oder gar der Gesamtperson erlebt werden und entsprechend sich die Antwort, die Einsicht und das nachfolgende Verhalten der Personen von diskursiven Erwartungen ablösen. Was könnte also helfen, wenn weder vernunftgestützte Vorgehensweisen noch schlichte Machtpolitik hieran etwas verändern könnten?
Statt einer konfrontativen Strategie scheint mir eine andere sinnvoller: Der Versuch, die Rahmenerzählung aus einer anderen Perspektive zu versuchen, Akzente neu und anders zu setzen – um zunächst einmal die fundamentalistischen „Gewissheiten“ zu irritieren – ohne sie aber direkt auflösen zu wollen. Technisch gesehen, kann man dies als „Reframing“ bezeichnen.
Sinnvoll sind also zunächst kleine Modifikationen des Erzählrahmens. Für den hier diskutierten Zusammenhang schlage ich die Perspektive einer „Gemeinwohlorientierung“ vor. Dieser Blickwinkel ändert am Erzählzusammenhang vordergründig gar nichts: Letztlich handelt es sich nur darum, den Staatszielgedanken des „Grundgesetzes“ über seine Anfangsartikel hinweg ohne Zergliederung in die einzelnen Artikel zusammenzufassen.
Auf den ersten Blick scheint noch nicht viel gewonnen – wenn wir uns das Argument „Gemeinwohlorientierung“ aber an Beispielen ansehen, wird klarer, welche Wirkung diese Orientierung haben könnte:
Nehmen wir aus der aktuellen Diskussion die Frage der Überbrückungskredite für die „Lufthansa“. Den Medien ist zu entnehmen, dass es eine Kontroverse darum gibt, ob ein Betrag von immerhin 10 Milliarden Euro auch daran geknüpft ist, dass der „Bund“ mittels zweier Aufsichtsratsmandate Einfluss auf die Geschäftspolitik nehmen könnte. Ein Blick nach Frankreich kann hier hilfreich sein: Die Regierung Macron – sicher sozialrevolutionärer Umtriebe unverdächtig – knüpft die Rettung von „Air France / KLM“ an Bedingungen ökologischer Natur, etwa den Verzicht auf innerfranzösische Kurzstrecken. Bei der Gelegenheit ließe sich auch die Frage klären, wozu eine Fluggesellschaft mit Firmensitz in Frankfurt am Main Büros auf den Caymann-Inseln unterhalten muss und wie zukünftig mit dem „nationalsozialistischen Erbe“, also etwa auch der Ausbeutung von Zwangsarbeiter:innen durch die „Deutsche Lufthansa“, umgegangen werden könnte.
Aus der Formulierung der Gemeinwohlpflichtigkeit von Eigentum im Art. 14.2 des Grundgesetz lassen sich Verbindungen in Steueroasen nicht leicht ableiten, der originäre Transportauftrag der LH schon.
Was fällt den alles unter „Gemeinwohl“? Ein Sektor, der leicht durch die Raster zu fallen scheint, ist der Bereich „Kultur“ in seinem weitesten Sinne. Auch in Zeiten „von Corona“ sieht es so aus, als würden die „großen Kultureinrichtungen“, etwa Schauspielhäuser und Oper selbstverständlich aufgefangen, oder es gibt zumindest ernsthafte Anstrengungen, sie über die Zwangspause zu retten. Die kleinen selbständigen Theater- und Kulturschaffenden aller Art werden / wurden auf ALG II verwiesen. Hier setzt sich etwas fort, was schon im gesellschaftlichen „Normalbetrieb“ zu beobachten ist: Es gibt einen „edlen Kunstbetrieb“ der alimentiert wird – wobei auch hier schon zwischen „Staatstheatern“ und etwa „städtischen Häusern“ große Unterschiede bezüglich der Bezuschussung zu verzeichnen sind.
Ansonsten gilt „Kunst“, besonders in der „U“-Variante, als Metier der Gaukler, Tänzer und Schausteller. Sprich: Aus der Perspektive des Bildungsbürgers gibt es ein zu bewahrendes „kulturelles Erbe“. Der hier notwendige Betrieb wird bezuschusst und, wie am Beispiel „Elphi“ deutlich, hier lässt man sich dies auch was kosten! Die Beteiligten im weiteren Kulturbetrieb werden im Wesentlichen zu Hungerleidern degradiert, die ja selbst dafür verantwortlich sind, nichts Ordentliches gelernt zu haben. Ich möchte hier keine „Ästhetik-Diskussion“ aufmachen – das Argument ist ein anderes: Wenn „Kultur“ ein Aspekt „gesellschaftlicher Teilhabe“ ist, dann ist die persönliche Teilhabe nicht mit der Freistellung vom Rundfunkbeitrag erschöpft. Sondern es muss jedem Menschen überlassen bleiben, in welcher Form mensch diesen Anspruch für sich realisiert.
Die „Teilhabediskussion“ begleitet die Soziale Arbeit seit der mangelhaften Ausstattung dessen, was bis zur „Agenda 2010“ als der „Warenkorb“ in der „Sozialhilfe“ bezeichnet, der jeweils eingestellte Betrag für „kulturelle Teilhabe“, ist und war.
Sprich: Es gibt bereits eine „halbseidene“ Anerkennung der Bedeutung dieses Feldes für ein gleichberechtigtes Leben in Würde – nur sind die Operngänger:innen halt etwas gleicher.
Der Gemeinwohlansatz führt jetzt die Kunstproduzent:innen aller Couleur und die Nutzer:innen zusammen – ohne dass von vorneherein „Werturteile“ getroffen werden.
Zu den Mythen der Ökonomie gehört auch die Beschreibung einer Endlichkeit der Ressource „Geld“. Abgeleitet von dieser Prämisse – und der Erkenntnis, man könne einen Euro nur einmal ausgeben – werden gesellschaftliche Ansprüche gegeneinander aufgerechnet und die Antragsteller:innen in Konkurrenz zueinander gehalten. So hat etwa eine Referentin des „Städte- und Gemeindetages“ auf einer Veranstaltung zu Möglichkeiten des präventiven Kinderschutzes sinngemäß gesagt, Geld in diesem Bereich könne es nur geben, wenn man es der Behindertenhilfe wegnähme.
Die resultierenden „Kannibalisierungsstrategien“ gehen zu Lasten der Methodenvielfalt und schaden damit letztlich auch den Klient:innen. „Am Markt“ setzen sich dann die Träger durch, die durch Outsourcing oder Unterlaufen von Mindeststandards die „günstigste“ Kostenstruktur anbieten und damit zu Dumpingkonditionen die „Spirale nach unten“ vorantreiben. Das hat mit „Markt“ im eigentlichen Sinne Nichts zu tun, bedeutet aber, etwa bezogen auf den Bereich der kinder- und Jugendhilfe – dass sich „öffentliche Kostenträger“ (Gemeinden und ihre Jugendämter) immer weiter von den grundrechtlich garantierten und auch sozialrechtlich festgeschriebenen Vorgaben entfernen und letztlich die pädagogische oder psychologische Fachlichkeit keine Rolle mehr spielt, sondern ausschließlich die Kassenlage.
Für die „Kinder- und Jugendhilfe“ ist der Auftrag, darauf hinzuwirken, dass Teilhabebefähigung entstehen möge, explizit gesetzlich festgeschrieben, die SPD hat unter Olaf Scholz von Hamburg her kommend bereits eine Reform des SGB VIII angestoßen, die letztlich zu einer „Jugendhilfe nach Kassenstand“ führen würde und so den heutigen Rechts- und Schutzanspruch der betroffenen Familien in eine Art „Gnadenrecht“ verkehren würde.
Alles wichtige Themen – und doch nur ein kleiner Ausschnitt:
Aber – und hier leuchtet die Falle des „Ja, aber…“ auf: Neben der notwendigen Infrastruktur und deren Unterhalt geht es ja auch um die Menschen, die diese Bereiche ausfüllen und – im Gegensatz zur heutigen Zeit – auskömmlich bezahlt werden sollten. Also doch: „Wer soll das bezahlen?“
Die Spur des Geldes…
Bevor wir jetzt in Gedanken beginnen, für die unterschiedlichen gesellschaftlichen Themenfelder (i.e.: Klima, Verkehr, Schulen, Gesundheit, usw.) je in Gedanken Stapel von Geldscheinen zu schichten und diese möglichst gerecht zu verteilen, lade ich zu einem Gedankenexperiment ein:
Mit Stichtag 31.03.2020 hatten die USA eine Staatsverschuldung von 23,3 Billionen US-Dollar. Beim Abruf der Zahlen am 11.05.2020 (https://www.gold.de/staatsverschuldung-usa/) waren es etwas über 25 Billionen. Da muss die Oma lang für stricken, hätte man früher gesagt.
Im Ernst: Ganz besonders vor dem Hintergrund der desolaten öffentlichen Infrastruktur in den USA ist es vollkommen illusorisch, sich vorzustellen, dass diese Summe jemals tatsächlich an Gläubiger zurückfließt. Die größten Halter amerikanischer Staatsanleihen, über deren Ausgabe sich die USA Geld verschaffen, sind Japan und China. Jenseits der Trump´schen Rhetorik ist allen Beteiligten klar, was passieren würde, hätte einer der weltweiten Player das Bedürfnis, diese theoretisch vorhanden Geldvolumina tatsächlich zu realisieren: „All-In!“
Die eigentliche „Währung“ ist Vertrauen: Etwa in die Wirtschaftsleistung der USA, die Kaptitalfreundlichkeit von „Freihandelsabkommen“ und anderer Bedingungen mehr. Ein Teil des Plots aus „Bad Banks“ spielt mit der Panik, die entstehen würde, wollten etwa wir Konsumenten plötzlich beginnen, unsere „kleinen bunten Scheinchen“ am Automaten abzuholen.
Seit der Aufgabe der Goldbindung des Dollars gibt es für die umlaufenden Geldbeträge keinen realen Gegenwert mehr. Dies führt etwa dazu, dass jede Sparkasse „eigenes Geld ausgeben“ kann: Meine Hausbank holt sich bei einem Konsumentenkredit an mich das mir zu leihende Geld nicht von einer Zentralbank, sondern schreibt mir den Betrag „gut“. Hier ist kein einziger Schein bewegt worden, es ist ein Spiel mit „Einsen und Nullen“. Wir lassen den Fall außer Acht, dass teilweise diese Kredite weiterverkauft werden, wir beschäftigen uns auch nicht damit, wie perfide es ist, dass in dieser Krisenzeit einzelne Hausbanken über die KfW abgesicherte Gelder nicht an Betroffenen auszahlen, obwohl ihr Haftungsrisiko eigentlich gegen Null geht.
Ich will mit dieser Skizze nur den Unterschied zwischen „Buchgeld“ und „Vollgeld“ illustrieren: Der „Konsumentenkredit“ im Beispiel steht nur „in den Büchern“, es steht ihm kein realer Wert gegenüber. Nutze ich den Kredit etwa zum Autokauf, wandern auch hier keine Scheine, sondern Zahlen. Der reale Wert des Autos ist aber nicht notwendig mit der hierfür aufgewandten Geldsumme beschrieben – und sinkt mit jeder Sekunde meiner täglichen Nutzung weiter, so dass der Geldsumme letztlich kein „realer Wert“ gegenübersteht.
„Zinswetten“ gegen Staaten und Währungen, „Spotmärkte“, „Leerverkäufe“ – all dies funktioniert nicht durch Verschieben von „dicken Geldbündeln“, sondern über Algorithmen, die Zahlenreihen bewegen. All dies beruht darauf, dass ähnlich wie die Höflinge im Märchen es niemand wagt, den Kaiser“ (Finanzwirtschaft) als „nackt“ zu bezeichnen. Die Angst des Olaf Scholz vor der „Finanztransaktionssteuer“ ist die Angst davor, dass irgendjemand die Autosuggestion, die das „blinde Vertrauen“ in dieses System fordert, aufhebt. Das ist ein Sinn des Frames „Alternativlosigkeit“: Die Aufrechterhaltung einer suggestiven Erzählung, eingespielt über „Börse vor Acht“, Schulbücher, Veränderungen an Studienordnungen, der Hochschulfinanzierung, der „Unausweichlichkeit der Privatisierungen im Gesundheitswesen“………….
Von Angela Merkel kommt, so meine ich zu erinnern, das Beispiel mit der „schwäbischen Hausfrau“, bezogen auf „solide“ staatliche Haushalte. In Analogie hierzu: Olaf Scholz schickt keine Beamte in den Keller des Ministeriums, um dicke Bündel an Geldscheine in Koffer umzupacken, die dann an die „KfW“ gehen: Auch die 156 Mill. Euro, die im ersten Rettungsschirm zugesagt worden sind, sind nicht „real“, nicht materiell. Sie sind ein Versprechen.
Etwas flappsig formuliert könnte man sagen: Es steht den Notenbanken frei, der Bundesregierung eine Summe „X“ für Ausgaben aller Art zu zuweisen – und diese Beträge am Ende des Haushaltsjahres einfach aus den Büchern zu streichen – es wäre niemand geschädigt.
Anhand eines Beispiels: Nehmen wir mal an, Schätzungen eines nationalen Kapitalbedarfs zur Abfederung der gesellschaftlichen Kosten der Pandemie beliefen sich auf 400 Milliarden Euro. Die Bundesbank könnte der Bundesregierung dieses Geld zur Verfügung stellen, und – damit Christian Lindner nicht vor Schreck aus dem Porsche fällt – eine Laufzeit von 250 Jahren festlegen und den Beginn des Schuldendienstes für das Jahr 2022 festlegen.
Nun wird es Menschen geben, die argumentieren, dass dies das Problem auf die Enkelgenerationen verschieben würde. Diesen könnte man vielleicht entgegnen, dass die kaputte Infrastruktur in Schulen, Verkehrsmitteln und Gebäuden schon die Heutigen gefährdet, die Klimakatastrophe für spätere Generationen existenzgefährdend ist – und viele derjenigen, die so argumentieren, kein Problem mit atomaren Abfällen hatten, deren „Halbwertzeit“ 250 Millionen Jahre beträgt. Hieß damals „Energiesicherheit für Generationen“. Also: Geht doch!
Der „springende Punkt“ ist in meiner Argumentation also keiner irgendeiner „Geldwerttheorie“. Es geht um etwas Anderes:
Die Währung heißt letztendlich – ich wiederhole mich:
„Vertrauen“.
Nur dass das Vertrauen eben nicht uneingeschränkt uns als Bürger:innen gilt, sondern es stehts um das „Vertrauen der Märkte“ geht. Eigentlich müsste längst klar sein, dass die Akteur:innen im Finanzsystem den Vertrauensvorschuss, den sie immer wieder – auch 2008 – verspielen, nicht verdienen. Es sind halt „Zocker“. Das politische System, die Mandatsträger:innen – ja, wir alle – verhalten uns dieser „Spielhölle globale Finanzwirtschaft“ wie Co-Abhängige, die nach jedem Rückfall geneigt sind, den Beteuerungen, nun sei wirklich Schluss (!) Glauben zu schenken.
Also – es wäre an der Zeit, wenn wir das Vertrauen, von dem allenthalben die Rede ist, in die „Bürgergemeinschaft“ setzen: Den derzeitigen Umfragen zu Folge scheinen die Bürger:innen, was etwa „Lockdown“ und andere Maßnahmen der Eindämmung der Ausbreitung von „Covid-19“ angeht, verantwortungsvoller zu denken und zu handeln als etwa, Chrissie Lindner und Armin #derWok Laschet.
Und – eine weitere gute Nachricht: Wir könnten heute schon davon ausgehen, dass die Schuldendienste bei der Bundesbank besser laufen würden als die der „Amis“ heute: Wir würden sehen können, was eine Kerosinsteuer vermag (auch ökologisch), könnten den Steuersegen verzeichnen, der bei Besteuerung von „Starbucks“, „Amazon“ oder „Facebook“ entstehen würde. Wir könnten die Einnahme aus entsprechend hohen Unternehmens- und Vermögenssteuern addieren wollen und natürlich auch der Erbschaftssteuer.
Nun kommen da Gegenargumente, aber – wäre der Rückzug von „Starbucks“ ein Verlust für die „Cafékultur“ in Deutschland? Wäre es nicht an der Zeit, auch darüber zu reden, wie die Vermögen, etwa das der Familie Quandt, entstanden sind. Und wir würden – auch bei dieser Unternehmensgeschichte – viel über „Arisierungsgewinne“ und die Ausbeutung von Zwangsarbeiter:innen lernen – und wie diese geraubten Vermögen erhalten und gemehrt wurden – auf unser aller Kosten.
Es wäre doch ein Anfang, oder?